Mit rasender Freude dichten. Das Werk Dorothea Schlegels neu lesen
Workshop (hybrid) zum Werk Dorothea Schlegels. 10. /11. März 2022, Gästehaus der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Frauenlobstraße 1, 60487 Frankfurt am Main
Anmeldung für eine Teilnahme in Präsenz bis 8.3.22 per Mail, für digitale Teilnahme und Zoom-Link ebenfalls per Mail an Prof. Dr. Frederike Middelhoff: middelhoff@em.uni-frankfurt.de und PD Dr. Martina Wernli: wernli@lingua.uni-frankfurt.de
Programm als pdf (Flyer mit Bild) und Textdatei (ohne Bild; s/w)
Dorothea Schlegels (1764–1839) Werk ist vielseitig, es umfasst neben dem Romanfragment Florentin auch Rezensionen und Übersetzungen (z.B. Germaine de Staëls Erfolgsroman Corinne ou l’Italie (1806) oder die Geschichte des Zauberers Merlin (1804) aus der altfranzösischen Artus-Sage). Darüber hinaus sind Briefwechsel mit zahlreichen namhaften Akteur:innen der romantischen Zirkel überliefert – wobei es auch Neuentdeckungen geben dürfte: Die Jugendbriefe an Rahel Levin Varnhagen wurden beispielsweise erst 2021 (von Barbara Hahn, Brigit Bosold und Friederike Wein) publiziert und zeigen Dorothea Schlegel als politisch engagierte Korrespondentin und kulturell reflektierte Kritikerin.
An ihrem Roman Florentin, dessen erster Teil 1801 (herausgegeben von Friedrich Schlegel) anonym veröffentlicht wurde, lassen sich nicht nur die schwierigen Schreib- und Publikationsbedingungen für Frauen in der Zeit ablesen. Der Text bietet sich vielmehr an, um klassische Genrekonventionen (Entwicklungsroman, Künstlerroman), narratologische Eigenheiten (wie Rückblenden oder Rahmen- und Binnenerzählungen), literarische Topoi (Fern- und Heimweh; das Italienbild; der oder das Fremde) sowie poetologische Fragen (romantische Fragment-Theorie) neu zu perspektivieren und zu reflektieren. Dorothea Schlegels Roman fußt auf klassischen und romantischen Textstrategien, kombiniert diese jedoch neu und entwickelt sie weiter. 1993 wurde der Band in die Reclam-Universalbibliothek aufgenommen (hg. und kommentiert von Wolfgang Nehring) und dadurch verbreitet – dennoch ist der Text bis heute vergleichsweise selten zum Gegenstand der Forschung geworden.
Die biographischen Bedingungen für Dorothea Schlegels Schreiben sind sozialgeschichtlich relevant und literatur- und kulturwissenschaftlich gut erforscht: 1764 als Brendel Mendelssohn, Tochter des bekannten jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn, in Berlin geboren, konnte sie zumindest einen Teil der privaten Schulbildung gemeinsam mit ihren Brüdern absolvieren. 1783 wurde sie mit dem Bankier Simon Veit verheiratet, 1797 lernte sie Friedrich Schlegel im Salon von Henriette Herz kennen. Nach der Scheidung von Veit nahm sie 1799 den Namen ‚Dorothea‘ an und zog mit Friedrich, August Wilhelm und Caroline Schlegel nach Jena. 1802 siedelte das Paar nach Paris über, wo Dorothea Veit Friedrich Schlegel heiratete und seinen Namen annahm – nicht, ohne sich zuvor einer protestantischen Taufe zu unterziehen. Ihre Lebensgeschichte verdeutlicht die Schwierigkeiten einer Frau zwischen jüdischer Tradition und Assimilation (die katholische Taufe folgte im Jahr 1808); sie zeigt aber vor allem auch eine romantische Autorin, Kritikerin und Übersetzerin, die im Zentrum der deutschen Frühromantik wirkte und die europäische Romantik u.a. mit ihren Übersetzungen aus der französischen Literatur und Sagentradition beförderte.