Kalathiskos. Autorinnen der Romantik
Workshop-Serie an der GU Frankfurt
Organisiert von Frederike Middelhoff und Martina Wernli
Wer waren die Schriftstellerinnen der Romantik? Bis heute gilt in der germanistischen Forschung und Literaturgeschichtsschreibung: Wenn von ‚Schlegel‘, ‚Tieck‘, ‚Arnim‘ und ‚Brentano‘ die Rede ist, sind damit nahezu selbstredend die männlichen Protagonisten der romantischen Zirkel in Jena, Heidelberg und Berlin gemeint und nicht ihre Ehefrauen, Schwestern, Nichten usw. Dabei hatten Autorinnen wie Dorothea Veit/Schlegel, Caroline Schlegel/Schelling und Bettine von Arnim/Brentano – um nur die prominentesten und bislang von der Forschung am häufigsten in den Blick genommenen Akteurinnen zu nennen – einen zentralen Stellenwert in romantischen Netzwerken, die sich bei weitem nicht in der Funktion der ‚Gattin‘, ‚Erzieherin‘ und ‚Mutter‘ erschöpfte. Weibliche Autorschaft war allerdings auch in liberalen romantischen Kreisen mit erheblichen sozialen Restriktionen, Widerständen und stereotypischen Wertungen seitens einer männlichen dominierten literarischen Ästhetik und Kritik verbunden. Als Übersetzerinnen, Dichterinnen, Korrespondentinnen, Rezensentinnen und Reformanhängerinnen waren Frauen gezwungen, rhetorisch und poetologisch mit diesen Gegebenheiten kreativ, subversiv, immer wieder aber auch affirmativ umzugehen. Ausgehend von den Impulsen der Gender Studies sind in den letzten Jahrzehnten vielversprechende innovative Perspektiven auf die Autorinnen entwickelt worden, die um 1800 an den ästhetischen Leitbildern, intertextuellen Themenverflechtungen und programmatischen Transformationen der Romantik mitschrieben und die spezifischen kulturellen und sozialen Praktiken der romantischen Netzwerke mitgestalten haben. Dennoch wird ihnen in Forschung und Lehre noch immer wenig(er) Aufmerksamkeit geschenkt, zumal sich eine Problematisierung dieser vernachlässigenden Behandlungen vorwiegend in feministischen Diskurskontexten und jenseits des akademischen Mainstreams abspielt. Als Konsequenz dieser Schieflage ergibt sich, dass der romantische Kanon männlich ist und bleibt; die häufig anonymisierten oder unter Pseudonym schreibenden Autorinnen wiederum verbleiben unbekannt und ungenannt. Verschärft wird diese Problemkonstellation mitunter noch dadurch, dass Neuauflagen und kritische Texteditionen der romantischen Autorinnen kaum verfügbar sind.
Die Workshop-Serie macht es sich zur Aufgabe, diesen Zustand einer Kritik und Revision zu unterziehen und folgt dabei einer doppelten Neuperspektivierung: Zum einen gilt es, bislang unbekannte Texte von bisher wenig bekannten Autorinnen, die sich ästhetisch, diskurs- oder sozialgeschichtlich den (inter‑)nationalen Netzwerken der Romantik zuordnen lassen, in die Diskussion der Forschung und Lehre einzubinden; zum anderen sollen Texte derjenigen Autorinnen, die bereits Gegenstand der Forschung waren, mittels innovativer theoretischer Zugänge wieder und neu gelesen werden. Das zentrale Anliegen dieser Doppelbewegung ist eine Erweiterung der Zugriffe auf romantische Texte im Allgemeinen, auf das Textkorpus schreibender Autorinnen der Romantik im Speziellen. Wenngleich kritische Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Fragestellungen zum Kernbereich der Workshop-Serie gehören, ist es gleichermaßen ein erklärtes Ziel, die Texte als literatur- und kulturwissenschaftlichen Forschungsgegenstände ernst zu nehmen und die Geschlechterfrage auf konstruktive Art und Weise zu komplementieren. Maßgeblich für diese Erweiterung sind dabei die Berücksichtigung u.a. poetologischer, ästhetik- und gattungstheoretischer, kultur- und wissenshistorischer Gesichtspunkte. Erzielt wird auf diese Weise ein gleichermaßen doppelter Erkenntnisgewinn: Erstens lassen sich auf diese Weise die Diskurse und intertextuellen Verflechtungen identifizieren, in die die Texte der Autorinnen der Romantik eingebunden sind, zweitens kann der Vielfalt romantischer Schreibweisen und -funktionen der Autorinnen mit einem methodischen Pluralismus der Lektüren Rechnung getragen werden.
Die Workshop-Serie verschreibt sich dabei dem Ziel, den Dialog zwischen Romantikforschung und akademischer Lehre zu intensivieren und verschränkt somit das Desiderat der (Grundlagen-)Forschung mit bildungspolitischen Aufgabenfeldern. Studierende, Doktorand*innen, Postdocs und Mitarbeiter*innen der GU sind eingeladen, an den Workshops und den dort geführten Diskussionen teilzunehmen.
Die wissenschaftlichen Beiträge zum jeweiligen Workshop-Schwerpunkt werden in der Metzler-Buchreihe Neue Romantikforschung (hg. v. Roland Borgards, Frederike Middelhoff, Martina Wernli) veröffentlicht und erscheinen gemäß dem Veranstaltungsturnus voraussichtlich zweimal im Jahr. Die Bände werden dabei jeweils sowohl neue Forschungsperspektiven zu den Autorinnen der Romantik als auch ausgewählte Primärtexte enthalten. Mit dieser Kombination sollen die Publikationen neue Wege der Forschung dokumentieren und gleichzeitig dem Fachpublikum und einer interessierten Öffentlichkeit die bislang unbekannten oder schlichtweg vergessenen Texte in einer komprimierten und neuedierten Form zugänglich machen.
Bisherige Veranstaltungen:
*** Noch Zukunft haben. Das Werk Karoline von Günderrodes (1780–1806) neu gelesen (14.–15.01.2021)
*** Rahel Varnhagen am 2./3. September 2021
*** Workshop zum Werk Dorothea Veit/Schlegels: 10./11. März 2022
*** Workshop zum Werk Helmina von Chézys: 9.-11. März 2023
Kontakt: middelhoff@em.uni-frankfurt.de / wernli@lingua.uni-frankfurt.de